Seitdem ich das Laptop auf der Anfahrt über die Buckelpiste zur Pondoro Private Game Lodge zugeklappt hatte, nachdem wir das Gate zum Balulue Private Game Reserve passierten, kam ich nun tatsächlich ein paar Tage nicht mehr zum schreiben (Das etwas affektierte Wort "Game-Drive" kommt übrigens aus dem Englischen, wobei der Begriff "Game" für Wildtiere steht und von der Pischfahrt die Rede ist). Auch das Fotografieren im Busch gestaltet sich durch Distanzen, bewegte Objekte und undurchdringliche, monotone Buschlandschaft schwieriger, als die teilweise inszenierten, ästhetischen Bildkompositionen von Stilleben, Landschaft und Architektur, die die Ausbeute unserer Mauritiusreise waren. Hätte ich gewusst, dass die Weltumrundung meine Leidenschaft für Fotografie weckt, wäre ich nun mindestens mit einer Canon EOS 7D mit Profi-Tele ausgestattet (@ Renate: derzeit eine Nikon Coolpix P7100).
Safari ist anstrengend und besteht zum Großteil des Tages abwechselnd aus Nahrungsaufnahme und stundenlangen Fahrten im offenen Jeep, im Gegenzug gibt's wenig Schlaf. Kaum haben wir am Sonntag um 13 Uhr eingecheckt, wird uns Lunch angeboten, obwohl wir noch mächtig satt vom üppigen Frühstück der letzten Lodge sind. Aber um den kulinarischen Variantenreichtum zu testen, nehmen wir auch in Kauf zu platzen - Wir haben es geahnt, da es bereits mehrfach in Foren besprochen wurde: Die Menge und Qualität der afrikanischen Cuisine ist noch steigerungsfähig!
Uns wird ein kurzer Moment zum Ankommen und Verdauen gewährt und schon starten wir um 15.30 Uhr zum ersten Game-Drive, für den drei Stunden angesetzt sind. Eine halbe Stunde vorher trifft man sich zunächst zum gemeinsamen genießen von Kaffee, Kuchen und hausgemachten Keksen. Man beruhigt uns, dass es unterwegs einen Sundowner und kleine Snacks geben würde und uns um 20 Uhr, eine Stunde nach dem letzten Game-Drive, das Dinner erwarten würde. Ob wir das durchhalten? Ich befürchte, dass wir verhungern werden. Und dass, nachdem wir uns den ganzen Tag nicht bewegt haben und nun lediglich schwerfällig das Modell des Fortbewegungsmittels wechseln. Ranger und Tracker stellen sich vor, geben uns eine kurze Anweisung, wie wir uns während der Fahrt im offenen Gefährt zu verhalten haben und schon starten wir in die Wildnis. Ich wähle einen Außenplatz, um bessere Aufnahmen machen zu können, während Michael sich widerstandslos in der sicheren Mitte platziert, "ihn würden die Löwen dann als letzten holen", kommentiert er grinsend. Ich fluche über das fehlende Teleobjektiv an meiner Kamera und ein Mann, der aussieht wie Wolfgang Joop, beruhigt mich knapp, dass unser Ranger so nah an die Tiere, vor allem an die wenig scheuen Löwen, heran fahren würde, dass ich kein Teleobjektiv benötigen würde. Ich hätte nun doch gerne einen Mittelplatz gehabt. Schnell erfahren wir den Unterschied zwischen einer "Safari" mit dem eigenem Auto durch den Krügerpark und einem eben jener Ausflüge, die mit offenem Jeep, Ranger, Tracker und Gewehr bewaffnet in die Wildnis gehen. Wir sehen bereits bei unserem ersten Game-Drive am Nachmittag Zebras, Giraffen, Gnus, Büffel, Elefanten, Hyänen, Schakale, Warzenschweine und Löwen aus nächster Nähe.. Das Gewehr sei nur prophylaktisch mit an Bord, meint der Ranger. Wenn man sich richtig verhält, greifen die Löwen nicht an. Wenn sie angreifen, hätte man irgendetwas falsch gemacht. Ich bin beruhigt. Wir passieren nach etwa zwei Stunden ein Areal mit unübersichtlicher Buschlandschaft und heraus ragenden kargen Bäumen, auf denen Herrscharen von Geiern lauern und sich ab und zu mit schweren Flügelschlägen unelegant und wackelig durch das eigene unproportional verteilte Gewicht auf irgendein für uns nicht sichtbares Objekt im Busch herab stürzen, und dann mit einem blutigen Klumpen im Schnabel wieder davon flug-torkeln, verfolgt von gierigen, dem davon fliehenden Geier das größte Stück nicht gönnenden Kollegen. Die Löwen hätten in diesem Areal am Morgen zwei Wilder-Beasts (Büffel) gerissen, daher diese Massenversammlung an Aasfressern. Ach, da liegt ja auch schon der erste Löwe und schleckt sich das blutige Maul, während er über seine Beute hinweg direkt in meine Kamera-Linse starrt. Ich lasse die Kamera mal lieber als Pokerface-Maske vor meinem Gesicht und fotografiere gewollt beiläufig und unerschreckt weiter, denn der starre, fixierende Blick irritiert mich. Warum ich? Um uns herum spaziert das weibliche Harem des Löwen, wir befinden uns mitten in einer Löwenherde, die es sich in der Nähe des erlegten Wilds bequem gemacht hat. Wenigstens sind die meisten mit Körperhygiene und Schlaf beschäftigt und scheinen satt zu sein.
Der Löwe hält sein pralles Bäuchlein in die Sonne, während neben ihm seine aktuelle Gespielin lasziv durch die langen Wimpern in die Sonne blinzelt. Die beiden werden sich so schnell nicht trennen, weil der Löwe sie in den nächsten fünf Tagen alle 15 Minuten befruchten wird, erklärt uns der Ranger. Die Männer im Jeep schauen betroffen auf ihre Fingernägel. Plötzlich ist die Stille vorbei und der Löwe springt mit einem Brüllen auf die Füße, was mit einem Fauchen der plötzlich lebendigen Löwin erwidert wird. Es wird ein bisschen zum Vorspiel gekämpft, bis der Löwe Oberwasser gewonnen hat und die Löwin durch einen zärtlichen Nackenbiss ruhig stellt. Das Liebesspiel ist nach nur 10 Sekunden beendet und ich nehme ein erleichtertes Aufatmen auf dem Platz neben mir wahr. Ich habe wohlgemerkt immernoch den Außensitz und bin von dem Szenario nur etwa drei Meter entfernt. Ein "Hilfe!" entfleucht meinem Mund und ich dränge Michael dazu, nach rechts weiter zu rücken, ich sitze bereits halb auf seinem Schoß vor Schreck. Der Ranger bleibt cool, "solange wir alle im Jeep sitzen bleiben und nicht aufspringen und winken, werden wir und der Jeep als Einheit wahrgenommen und nicht angegriffen. Der Löwe habe momentan ohnehin andere Prioritäten". Wir ziehen uns langsam zurück und gehen auf die Suche nach den seltenen Rhinozerus und den scheuen Leoparden. Leider müssen wir nach ein paar hundert Metern feststellen, dass der Reifen geplatzt ist und wir nicht im Besitz eines Ersatzreifens sind. Jetzt kommt endlich ein bisschen Spannung und Dynamik in die Sache rein, freue ich mich, nachdem ich die Löwen überlebt habe. Obwohl wir ja ausdrücklich nur sitzend im Jeep als Einheit wahrgenommen werden, müssen nun alle heraus klettern und dürfen einen vorverlegten und ganz und gar authentischen Sundowner einnehmen, damit der Jeep mit dem größten Wagenheber hochgewuchtet werden kann, den ich jemals gesehen habe. Hilfe wurde über das Satellitentelefon bereits angefordert. Falls ein Löwe kommt: nicht weg rennen und fest in die Augen schauen. Wer weg rennt, der verpasst das Dinner und endet selbst als Abendessen. Ich nehme auf meiner Kamera vorausschauend schon einmal die entsprechenden Einstellungen für die Makroaufnahmen vor. Draußen geht die Sonne unter und um 18 Uhr ist es stockduster.
Wir kommen jedoch alle wohlbehalten um 19 Uhr wieder am Haupthaus der Lodge an und bekommen am Eingang Taschenlampen und einen Escortservice zugeteilt, der uns zu unserem Chalet begleiten soll. Da wir außerhalb des Elektrozauns in der Wildnis wohnen, brauchen wir erfahrenen Geleitschutz, da sich hier nachts oft Tiere aufhalten, die auf der Suche nach Wasser unser Haus passieren, um am Olifant-River zu trinken, auf den wir von unserer Terrasse aus blicken können. Wir sitzen quasi in der Falle. Ohne Geleit dürfen wir das Chalet auch nicht mehr verlassen. Um 19.30 Uhr werden wir jedoch bereits wieder zum Dinner abgeholt und ich befrage den netten Mann nach seinem aufregendem nächtlichen Job. "Ja, letztens hätte sich auch ein Löwe hier aufgehalten und unter dem Baum unweit unseres Häuschens gelegen". Unser Escortdienst gibt sich glaubwürdig angstfrei, während er uns seine Waffe zeigt und eine viereckige Metallkiste durch die Luft schwingt, aber er "hätte ja DIES hier!". Wir denken unwillkürlich an Star Wars, Waffen und das Laserschwert von Darth Vader. Aber als er uns die Funktionalität des Metallkistchens zeigt, müssen wir feststellen, dass wir lediglich von einem Mann mit einer starken Taschenlampe beschützt werden. Tiere hätten Angst vor Licht und er wiederum hat keine Angst vor Löwen. Diese warnen bevor sie angreifen. Rhinos und Büffel seien viel gefährlicher, da diese ohne Vorwarnung angreifen. Und eben jene sollen geblendet und fern gehalten werden. Die Elektrozäune um das Haupthaus seien auch in erster Linie zur Abwehr von Hippos hochgezogen worden, da diese eine Schneise der Zerstörung hinter sich zurück lassen, wenn sie ins Gelände eindringen und panisch-aggressiv wieder den Ausgang suchen würden.
Das Dinner vom Sternekoch ist wieder ein Gedicht, welches liebevoll und extravagant arrangiert die Sinne anregt. Fluch und Segen zugleich: die Portionen sind nicht vergleichbar mit der französischen Cuisine, sondern für Ranger gedacht, die nach einem anstrengenden Tag im Busch hungrig über das Essen herfallen. So hält es sich mit jedem der drei Gänge. Ich löse den Gürtel, um besser Luft zu bekommen. Um 23 Uhr werden wir zurück escortiert und erhalten den Hinweis, dass man uns um 5 Uhr durch ein Klopfen an der Tür wecken und kurz darauf abholen würde. Wir sind noch viel zu aufgeregt von den vielseitigen Eindrücken des Tages und zu voll gegessen, als dass wir gleich in den Schlaf finden könnten. Ich schließe die Äuglein erst um 3 Uhr nachts, weil ich noch Bilder hochladen und mit dem Bericht beginnen möchte. Michael geht etwa 2,5 Stunden früher in die Knie. Nur kurze Zeit später starre ich den Escortservice an unserer Haustüre mit wütenden kleinen Pikinesenaugen an und besteige im Morgengrauen widerwillig den Jeep - nachdem es zur Stärkung Snacks und Kaffee gibt, die wir auf das noch unverdaute Mahl vom Vorabend einnehmen. Die Tour soll auch morgens wieder drei Stunden dauern, wir wir gerade erst erfahren, und wir würden pünktlich zum Frühstück um 9 Uhr wieder zurück sein. Danach wartet der Ranger für einen Buschwalk auf uns, bei dem wir Pflanzen und Kleintiere aus der Nähe kennenlernen sollen. Freizeit gibt es nur zwischen 11.30 Uhr und 12.30 Uhr. Denn dann ist Lunchtime und danach Teatime und im Anschluss gehts auf den Game-Drive am Nachmittag. Aus und vorbei der Traum, mich nach einem einstündigen entspannten Ausflug am Morgen nochmal in die Kissen drücken und selig weiter schlafen zu können. Ich beschließe die folgenden Berichte zukünftig nur noch während der Autofahrt zu verfassen. Nach 15 Minuten geruckel auf der Buckelpiste grummel ich leise missmutig vor mich hin, ob das jetzt jeden Tag so ablaufen würde mit diesem Herumgegurke durch den Busch. Das seien sechs Stunden reine Fahrtzeit im Auto. Michael lächelt mich erstaunlicherweise zustimmend an und erwidert, dass ich aussprechen würde was er gerade denkt. Wir freuen uns gemeinsam darüber, dass wir noch 10 weitere solcher Tagesabläufe in unterschiedlichen Lodges für teures Geld gebucht haben. Nach zwei Tagen und zwei Nächten (man reist hier immer sehr früh an, um den ganzen gebuchten Service einer Lodge, wie Lunch und Game-Drives, effizient auszunutzen), reisen wir nach dem Frühstück und einem letzten Buschwalk ab, auf den ich Michael alleine schicke, während ich in der Hauptlodge in bequeme Sessel gekuschelt mit Blick auf den strömenden Olifant-River diesen Bericht zu Ende bringe. Abschließend waren diese Tage ein eindrucksvolles und aufregendes Erlebnis in einer wunderschönen und romantischen Lodge mit einem hinreissenden Service, der uns sogar ein überraschendes Candle-Light-Dinner im Weinkeller organisiert und Herzen aus Blumenblüten auf dem Bett sowie ein funkelndes Meer aus Teelichtern an unserem "Plunge-Pool" arrangiert hat. Das war ein fantastischer Einstieg in das echte Afrika, das wir die ganze Zeit gesucht haben. Und wir freuen uns nun gespannt auf die Landschaft und Tierwelt der nächsten Lodge, die zugleich das Highlight unserer Tour ist. Das Aufstehen war nach der zweiten Nacht und neun Stunden Schlaf auch gar nicht mehr so schlimm und wir starten taufrisch und voller Tatendrang in den jungen Morgen. Wir wissen nun wie's geht und werden diese sehr spezielle Art durch Afrika zu reisen nach der ersten kurzen Eingewöhnungsphase zu genießen und zu nutzen wissen. Man muss auch nicht jeden Game-Drive und Morning-Walk mitnehmen, wie wir nun mit der Erfahrung des routinierten Safari-Reisenden feststellen. Es reicht, sich jeden Tag zwei Perlen heraus zu picken und in der restlichen Zeit den Charme der jeweiligen Lodge und den Ausblick von der Terrasse mit Plunge-Pool zu genießen, von der man häufig bereits die ersten Tierbeobachtungen machen kann.
Als wir das Gepäck im Auto verstauen, läuft uns noch ein Angestellter entgegen, der mit einer Papiertüte wedelt. "Damit wir etwas zu Essen haben!" auf der dreistündigen Fahrt zur nächsten Lodge.
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Renate (Montag, 10 September 2012 22:49)
Ich bin schon sehr gespannt auf den Bericht zu diesen Bildern!! Es ist toll so ein bisschen mit dabei zu sein!! Ich liebe Deine Berichte! Ganz liebe Grüsse aus dem sommerlichen Frankfurt
Pa (Mittwoch, 12 September 2012 17:22)
Hallo,Nadja, Deine Schreib-Lust ist ja ebenso steigerungsfähig wie unsere Lese-Lust!
Mit herzlichem Gruß aus Lyon (= Lion!)
Renate (Montag, 17 September 2012 17:29)
Das muss ich in Ruhe durchlesen - hört sich aber wie alles bisher sehr super schön an! Danke aber schon jetzt - und danke für den Hinweis mit der Kamera :)... über die andere werde ich mich jetzt auch erkundigen! Bitte weiter so :)!! Kuss
Steffi (Freitag, 05 Oktober 2012 20:30)
Also das wäre ja genau das Richtige für mich: Essen bis zum Umfallen, dann würede ich ja mal ein paar Kilos drauf kriegen. :)))
Die Löwen wären mir aber schon unheimlich....
LG Steffi