Ohne Nebel aber im Regen erreichen wir nach unserem Besuch auf einem südafrikanischen Forellengut im Schwarzwald unsere erste richtig afrikanische Lodge. Über unsere Enttäuschung wegen des schlechten Wetters trösten uns die beiden glücklichen Hotelmanager mit den Worten, dass wir froh sein können, nach Monaten der Trockenheit den ersten Regen miterleben zu dürfen. Sie strahlen uns enthusiastisch an und wir geben uns beim Zurückstrahlen redlich Mühe. Flexibel reagieren wir auf die Umweltbedingungen und entscheiden uns für das zweite warme Bad in zwei Tagen. Das Dinner wird im Haupthaus in der Lounge mit Aussichtsveranda eingenommen. Gemeinsam mit den anderen acht Gästen aus aller Welt genießen wir an einer langen Tafel kulinarische Offenbarungen. Hier treffen wir auf einen bunten Mix: zwei Brasilianer, zwei Holländer, zwei Elsäßer und zwei Leipziger, mit denen wir den Abend zusammen vor dem Kaminfeuer und heiteren Anekdoten aus aller Welt ausklingen lassen, inspiriert durch Rotwein und Amarula, die afrikanische Antwort auf Baileys. Zähneknirschend müssen wir uns eingestehen, dass unsere geplante Diät, die sich bei viel Bewegung in der Natur zwischen Löwen und Antilopen quasi beiläufig einstellen sollte, so keine Erfolge erzielen wird. Afrika ist dafür einfach nicht geeignet, beschließen wir, und verschieben die Zeit der Askese auf Asien. Dort soll es so leichte und gesunde Küche geben, dass man quasi noch beim Essen dünn wird.
Der nächste Tag zeigt sich von einer deutlich freundlicheren Seite. Nach einem üppigen Frühstück starten wir unsere erste Selbstfahrrer-Sightseeing-Tour über die Panorama-Route, die von reizenden Örtchen, Wasserfällen, eindrucksvollen Felsformationen und dem Blyde-River gesäumt sein soll. "Pilgrims Rest", der erste Ort, in dem wir den Aufbruch der Goldgräberzeit spüren sollen, entpuppt sich als eine unbequeme Touristenabzocke mit fünf Häusern, dafür dreißig lauernden Gestalten am Straßenrand, die alle unser Auto waschen wollen. Wir tricksen sie aus und parken etwas abseits des Ortes, aber wir wurden entdeckt und als wir von unserer kurzen Stipvisite zurück kommen strahlt uns das Auto schon von weitem im neuen Gewand durch eine glitzernde Schaumdecke an. Wir fahren weiter nach Graskop, ein entzückendes Städtchen, dass wie ein typisch amerikanisches Provinznest anmutet, ohne jeglichen Charme, bis auf den Pancake-Laden mit "free WiFi", der vom Anführer des Hells Angels persönlich und herzlich geleitet wird, der einen Moment später leider seinen anderen Geschäften nachgehen muss und knatternd auf seiner Harley davonstiebt.
Alle weiteren angefahrenen Attraktionen verlangen pro Blick auf Wasserfall oder Felsen 10 bis 50 Rand. Wir begegnen den Senioren, Asiaten und sogar vier Gästen aus unserer Lodge, die bei den gleichen Markierungen auf ihrer Individualtour halten, etwa zwei bis dreimal. Alle geben sich begeistert, grüßen sich freundlich und manche wollen ihre Eindrücke sogar bereitwillig mittteilen und geizen nicht mit Tips. Ich bin begeistert über das ungeteilte Erlebnis und die Authentizität dieser ursprünglichen Wildnis und kann meine Fluchtreflexe kaum mehr beherrschen. Wir beschließen, dass wir auch aus diesem Tag etwas lernen können und zukünftig keine reinen Sightseeing-Touren mit dem Auto machen, sondern die Natur nur noch aktiv per Rad, Fuß oder Kajak erleben wollen - vielleicht hat unsere Sehnsucht so die Chance das rauhe, pure und magische Afrika zu erleben und unser Abenteuer-und Pioniergeist die Möglichkeit, sich zu entfalten. Außerdem befinden wir uns ja noch auf der Durchreise zu unserem eigentlichen Ziel, stellen wir beruhigt fest: zu den Lodges mit Game-Drives in den privaten Game-Reserves, die uns noch auf das echte Afrika hoffen lassen. Ich hoffe gleichzeitig bangend und inständig, dass dies nicht einer Rundfahrt im Opelzoo gleicht, bei der wir Kurt und Hannelore aus Leipzig wieder sehen, und dass, nachdem die Löwen gefüttert wurden und faul und gelangweilt in der Sonne flezen.
Gut gelaunt und voller Tatendrang starten wir sonntags in den vierten Tag unserer Südafrika-Reise. Das Thermometer zeigt heute vielversprechende 30 ° an und auch, dass wir endlich mal den Allradantrieb auf der Anfahrt zur ersten Safari-Lodge im Balule Game-Reserve einsetzen müssen, freut uns sehr. Das Schreiben auf dem Beifahrerseitz mit dem Laptop auf den Knien wird zusehends beschwerlicher bei dem Geruckel. Ich pflaume Michael noch kurz an,ob er nicht geschmeidiger fahren könne, ich müsse arbeiten. Gerade eben sehen wir die ersten Tiere: eine Zebrafamilie. Ich klappe das Laptop jetzt zu und halte lieber die Augen offen...
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Pa (Montag, 10 September 2012 10:57)
Liebe Nadja, Deine Berichte zu lesn ist ein Hochgenuss! Danke!
Marische (Montag, 10 September 2012 11:42)
Hallo ihr Beiden,
meine Kollegen wundern sich schon warum ich seit einer halben Stunde debil vor mich hin lache und zwischendurch so Dinge wie: "Schwarzwaldklinik", "Hund von Baskerville" oder "fette, satte Löwen" pruste. Euer Bericht ist mein Montag-Morgen-Highlight! DANKE! Ganz feste Umarmung. Maria
torodoro (Dienstag, 11 September 2012 00:02)
Ich bin etwas spät dran, vermutlich gibt es schon wieder weitere heitere Eindrücke von der Wildnis Afrikas. Nur Geduld! Es wird schon noch wild authentisch werden!