Die Seychellen und der Abschied von unserer kleinen Patchworkfamilie liegt mittlerweile schon wieder eine gefühlte Ewigkeit zurück. Eigentlich ist es erst zwei Wochen her, dass wir Britta, Jan und Pa am Flughafen von Mahé verabschiedet haben. Keine wirklich lange Zeit in der Zeitrechnung unseres Alltags in Frankfurt. Wir selbst sind sogar erst vor 1,5 Wochen auf den Philippinen angespült worden. Mittlerweile liegen jedoch bereits wieder Welten sowie sechs weitere Flüge hinter uns.
Von Mahé sind wir zunächst in den Oman nach Abu Dhabi geflogen. Von Abu Dhabi ging es weiter in die Haupstadt der Philippinen, nach Manila. Nach einem kurzen Zwischenstop über eine Nacht im schrecklich hässlichen Manila, in einem vor Lärm alle Sinne betörenden Hotel mitten im Autobahndreieck, flogen wir am folgenden Morgen auf die Insel Palawan - eine von 7.160 Inseln, die wir in unser möglichst heterogenes Potpourri aufgenommen haben. Vom Flughafen ging es dann mit einem Kleinbus in etwa zwei Stunden weiter nach Sabang, einem Ort auf der Westküste von Palawan, um dort eines der „neuen sieben Weltwunder der Natur“ zu besichtigen: den, wie der Name schon sagt, 30 km unterirdisch verlaufenden Undergroundriver, den wir allerdings nur ca. 1.5 km mit einem kleinen Boot stromaufwärts befuhren.
Drei Nächte verweilten wir zum Aklimatisieren an diesem ansonsten recht unspektakulären, aber entspannten kleinen Örtchen, welches immerhin einen schönen, langen von Palmen gesäumten Sandstrand zu bieten hat - an dem wir leider bereits am zweiten Tag unseres Aufenthaltes Zeugen eines tragischen Unfalls wurden. Viele Philippinos können nicht schwimmen, gehen aber über das Wochenende gerne mit ihren Familien an die Strände zum baden. Der Strand von Sabang ist für seine tückischen Strömungen bekannt. Zwei junge Männer, ein Großvater und eine Frau mittleren Alters tollten in der Brandung in Sichtweite ihrer Familienmitglieder. Eine Welle muss ihnen den Boden unter den Füßen weg gezogen haben, weshalb sie ins Straucheln und in Not gerieten. Bis wir, alarmiert durch den kleinen und unauffälligen Aufruhr am Strand, an die Stelle gerannt kamen, der aus 500 m Entfernung eher wirkte, als hätten ein paar Fischer ihre Netze an Land gezogen, deren Fanggut von ein paar Schaulustigen begutachtet wurden (ein gewohntes Bild), trieben die Männer bereits bäuchlings auf dem Wasser. Ich informierte den philippinischen Lifeguard unseres Resorts, der jedoch nur den Kopf schüttelte und meinte, dieser Strandabschnitt gehöre nicht in seinen Zuständigkeitsbereich. Sechs Minuten bleiben in einer solchen Sitatuation, ab dem Moment, in dem Lungen und Gehirn nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden, um Leben zu retten. Ein Pärchen aus unserer Anlage, berufstätig bei der Feuerwehr und daher zum Glück ausgestattet mit dem nötigen Fachwissen, sah die Not der Gruppe, informierte parallel wohl ebenfalls die teilnahmslosen Lifeguards und rannte schließlich selbst zum Strand. Die beiden zogen zunächst die Frau und dann die Männer aus dem Wasser, begannen unter größtem Einsatz mit den Wiederbelebungs-Maßnahmen von vier Personen gleichzeitig, übernahmen die Kontrolle über die Situation und gaben Anweisungen zur Hilfeleistung. Bei den letzten beiden im Wasser treibenden Personen packten dann endlich auch die nutzlos herumstehenden Lifeguards mit an. Für diese Männer kam jede Hilfe zu spät, sie sind noch am Strand unter dem Wehklage-Gesang ihrer Familienmitglieder gestorben. Die Frau hat es geschafft. Der ältere Mann wird wahrscheinlich mit einem Gehirnschaden durch den viel zu langen Sauerstoffentzug mit dem Leben davon kommen. Während der Tod von Touristen immer ein Aufgebot an Polizei, eine Obduktion und oft sogar eine Horde Journalisten nach sich zieht, wurden die zwei toten Männer einfach in dem nach 45 Minuten eintrudelten Rettungswagen abtransportiert. Danach ging der Strandbetrieb weiter. Aufgelöst lief ich zu unserem Resort, um die einheimischen Angestellten an der Rezeption, die aus dem Ort kamen, über das Unglück zu informieren. Aber auch hier die gleiche gleichgültige Reaktion gegenüber Leben und Tod wie bei den Lifeguards am Strand. Lediglich die Frage, ob es sich um Touristen oder Einheimische gehandelt hätte. Es schien, als ob man beim Stichwort „Einheimische“ ein leichtes Schulterzucken wahrnehmen konnte und das Interesse schlagartig erlosch. Die sicherlich unbewusst verankerte Vorstellung, dass der Tourismus durch so einen Unfall Schaden nehmen könnte und der damit einhergehende Wegfall von Arbeitsplätzen, scheint eine größere Angst auszulösen als der Tod ... Oder der Tod hat hier eine andere spirituelle und weitaus beiläufigere Bedeutung. Wir machen uns noch lange Gedanken darüber, wie es überhaupt zu diesem Unfall und all den tragischen Verkettungen kommen konnte. Die größte Frage wirft jedoch die Reaktion der alarmierten aber völlig untätigen Lifeguards und dieser so beiläufige Tod von zwei Menschen auf.
Nach drei Tagen, die wir zum großen Teil auf gemeinsamen Aktivitäten mit dem Pärchen von der Feuerwehr verbrachten, verlassen wir den Ort, der diese traurige Erinnerung in sich bergen wird und fahren weiter zu dem eigentlichen Ziel unserer Reise auf der Insel Palawan. Das Highlight ist das Fischerörtchen El Nido, das bekannt ist für seine 1.768 zur Inselgruppe gehörenden Inseln und Korallenriffe - zum größten Teil schroff aus dem Wasser ragende Karst- und Kalkfelslandschaften, auf denen es üppig grünt und blüht, mit wunderschönen einsamen Stränden und versteckten Buchten, die von kristallklarem Wasser umgeben sind. Daher spielt sich das touristische Leben hier in erster Linie am, auf und unter Wasser ab. Am beliebtesten ist das Inselhopping: mit den für das Bild der Philippinen so typischen, bunt angemalten hölzernen Fischerbooten mit ihren seitichen Auslegern fährt man früh morgens aus dem Hafen und besucht unterschiedliche Inselgruppen. Keine Insel gleicht der anderen. Manche Buchten erreichen wir nur, indem wir mit der Schnorchelausrüstung todesmutig vom Boot ins Meer springen und durch unterirdische Höhlen hinweg tauchen - um am anderen Ende, tief Luft holend, in einer versteckten, von hohen Felsen eingefassten Bucht oder Lagune, mit klangvollen Namen wie Secret Bay oder Secret Lagune, wieder aufzutauchen. Die Fischer und Fährmänner bereiten uns mittags am Strand einen Lunch aus über Holz gegrilltem Hühnchen, Schwein und frisch geangelten Fisch zu. Ein Hochgenuß, wie Robinson Crusoe auf einem Stück Schwemmholz am weißen Sandstrand zu sitzen, den Blick über die blau-grünen Weiten des Meeres und die kargen Felsen gleiten zu lassen, den salzig-frischen Geruch der Luft in der Nase, während wir aus der Hand einen Spieß mit selbstgegrillten Leckereien essen. Nach dem Lunch schippern wir zu weiteren Perlen und Geheimnissen dieser wunderbaren Wasser- und Landschaft bis das Ende der Tour von einem der berühmt berüchtigten Sonnenuntergänge gekrönt wird. Müde und voll bepackt mit Eindrücken von großen und kleinen Details und einem unendlichen Gefühl von Freiheit legen wir abends salzverkrustet, glücklich und sonnengetränkt mit dem Boot am Strand vor unserer Lodge an und waten durch das Wasser in unsere einfache, rustikale und sehr charmante Unterkunft zurück.
Andere Lagunen erreicht man nur mit dem Kajak, weil das Wasser für die Boote zwischen den steilen Karstfelsen zu flach ist. Es wimmelt von bunten Fischlein so weit das Auge reicht. Sobald das Wasser wieder etwa ein bis zwei Meter tief ist, sieht man bunte Korallen, Schildkröten und wenn man Glück hat sogar Blacktip-Babyhaie und junge Walhaie, die sich bis zur Reifeprüfung in den sicheren Lagunen und Buchten aufhalten und aufgescheucht vom einzigen Geräusch dieser meditativen Stille, dem Plätschern des Ruders, unter der Wasseroberfläche neben den Kajaks hinweg flitzen. Mit Leichtigkeit schweben die Kajaks zwischen den Schluchten schwerelos dahin und werfen auf dem Grund des seichten, klaren und glatten Wassers ihre Schatten. Wir kajaken, mittlerweile etwas fortgeschritten, auch über See von einer Insel zur nächsten. Die Wellen schaukeln die kleine Nusschale gefährlich und immer wieder müssen wir mit aller Kraft gegenrudern, um mit der Strömung nicht in der Brandung an den Klippen zu zerschellen. Ich möchte trotzdem fotografieren und filmen und erwidere Michael, dass jeder gute Fotograf für „the photographers best shot“ sicherlich mal eine Ausrüstung in den Sand oder auf Grund gesetzt hat. Jedoch ist meine Angst vor Haien in den steilen und tieferen, sehr bewegten Gewässern und somit vor einem Sturz meiner Person (und nicht meines Equipments) ins Wasser groß genug, sodass ich nach einem letzten gefährlich-wackeligen Schaukeln des Kajaks doch lieber wieder beherzt zum Ruder anstatt zur Kamera greife. Ein paar gute Aufnahmen hab ich ja bereits im Kasten.
Aber auch tief unter Wasser haben wir uns beim Tauchen ein Bild von dieser völlig surrealen Welt gemacht, die sicherlich Dali als Vorbild hätte dienen können - eine rauschhafte Traumwelt. Eine Reise zum Mond stelle ich mir langweiliger vor, als unsere friedlich in der Stille schwebenden Tauchgänge, auf denen wir von in Korallenpalästen lebenden Ur- und Fabelwesen neugierig beäugt werden und inmitten bunter Fischschwärme 25m unter der Oberfläche mit der Strömung langsam und rythmisch vor und zurück gleiten. Wir äugen schmunzelnd und Luftblasen blubbernd mit unserem Saugnapf im Mund zurück. Sobald man ab- und in diese von oben gesehen mystische und undurchdringliche Welt eintaucht und so absolut darin aufgenommen, eingenommen und geradezu verschluckt wird, verschwindet auch die der eigenen Phantasie und der daraus resultierenden Phobie entsprungene Angst vor den unter der Wasseroberfläche lebenden Monstern. Nach einem kurzen ersten Moment der Klaustrophobie, die durch das jede Zelle umgebende Wasser und die einzig über den Regulator im Mund mögliche Atmung ausgelöst wird, versinken wir mental vollkommen im Rausch der Tiefe, genießen die Ruhe und Schwerelosigkeit und schauen den teils so geschäftig drein blickenden Fischen und anderen Meerestieren bei ihrem Treiben auf dem Korallen-Jahrmarkt zu.
Jedoch sollte im Kontext der vorangegangenen Schwärmerei in einer kurzen Rückblende ebenso erwähnt werden, dass wir von Sabang im Westen von Palawan eine halbe Ewigkeit brauchten, um nach El Nido zu gelangen. Zum einen bestehen die Philippinen wie gesagt aus 7.160 Inseln und diese sind nicht alle miteinander vernetzt. Die meisten versteckten Juwele sind nur via Schiff und Fähre erreichbar. Es können geschätzt ohnehin nur etwa 15 bis 20 Inseln angeflogen werden. Um beispielsweise von der westlich gelegenen Insel Palawan auf die süd-östlich gelegene Insel Siargao zu kommen, müssen wir erst wieder zurück auf die Hauptinsel Luzon im Norden fliegen, um dann von dort weiter auf die zentral im Süden gelegene Insel Cebu zu fliegen und von dort dann nochmal weiter bis auf die Zielinsel - auf der dann erstmal wieder eine längere Landüberfahrt auf uns wartet, bis wir wirklich am Zielort angelangt sind. Zum anderen ist die Infrastruktur auf den Inseln an sich nicht gut ausgebaut. Oftmals führt lediglich eine Hauptstraße über die ganze Insel, die dementspechend von allen frequentiert wird: Kindern, Hühnern, Kühen, Hunden, Minivans, Publicbussen, Lastwagen, Mopeds und Tricycles. Wir haben uns am Hafen von Sabang für einen Minivan entschieden, der uns in sechs Stunden günstig und komfortabel zuammen mit sechs weiteren angemeldeten Backpackern nach El Nido bringen sollte. Das klingt doch gut, denken wir uns. Den Minivan können wir bei Anmeldung der Fahrt sogar begutachten, da er direkt neben dem Fahrkartenverkaufsstand steht. Drei Sitzreihen plus Fahrerkabine. In etwa so groß wie ein VW Bus. Recht gut instand gehalten. Die angekündigten sechs Personen können sich dann jeweils zu zweit eine Reihe mit jeweils zwei bis drei Sitzen teilen - auf dem dritten Sitz wird dann oftmals noch das Gepäck untergebracht. Pro Person meistens ein Kofferrucksack und ein Tagesrucksack. Zu den sechs Personen müssen vom Platzvolumen des Busses her also auch nochmal etwa 12 Gepäckstücke hinzu addiert werden. Tja, da haben wir die Rechnung wohl ohne den geschäftstüchtigen Fahrkartenverkäufer gemacht. Wieso sitzen denn schon 11 Personen in dem völlig überladenen Bus, fragen wir uns, als wir früh morgens pünktlich zum Einstieg und zur Abfahrt erscheinen. Es ist kein einziger Sitzplatz mehr frei. Freundlich grüßend öffnet man uns die Heckklappe, räumt die gestapelten Koffer und Rucksäcke nochmal raus, klappt die Notsitze aus, lässt uns quasi in den Kofferraum klettern und mauert uns von unten, seitlich und von hinten komplett mit Gepäck ein und schließt die Heckklappe wieder. Ich kauere mit meinem Kopf in Schräghaltung über einem Wagenrad sitzend. Michael stößt mit seiner Größe fast mit dem Kopf an der Decke an. Wir können uns keinen Zentimeter mehr bewegen geschweige denn atmen. Bei Michael bilden sich deutliche Schweissperlen auf der Stirn. Er fängt an zu rudern, zu strampeln und gegen das bisschen Heckscheibe zu klopfen, das schräg oben noch frei geblieben ist. Wir wollen raus. Wir schimpfen nicht einmal. Einfach nur raus. So können wir keine sechs Stunden über Ruckelpisten fahren. Man baut die Koffer ein zweites Mal aus, um uns hinaus zu lassen. Aber der Fahrer beruhigt uns, dass wir auf diese Weise nur eine halbe Stunde ausharren müssten. Dann werden an einem kleinen Busbahnhof auf der Mainroad die Busse gewechselt. Es würden nur sechs Personen von dort nach El Nido fahren. Der Rest würde aussteigen. Also gut. Wieder hinein mit uns. Nochmal zumauern lassen. Ab geht die Fahrt. Unterwegs nehmen wir großzügig noch zwei weitere Philippinos am Straßenrand auf, die sich in den Bus falten und stapeln. Als ob die Not durch Platz-, Bewegungs- und Atemmangel nicht schon schlimm genug wäre. Das schlimmste Übel ist der Busfahrer selbst, der wie ein Geistesgestörter über die Piste rast, rumpelt und donnert. Mir scheint, er möchte seinen eigenen Highscore an selbst verursachten Straßenverkehrsopfern brechen. Uns wird nun auch noch schlecht. Wir sitzen direkt über der schwingenden Radachse. Ich könnte kotzen. Es bleiben leider nur die Hinterköpfe der Vordermänner, weil ich meinen Kopf nicht abwenden kann. Aber ich schaffe es mit größter Konzentration, das flaue, mulmig-schwindlige Gefühl, gepaart mit Todesangst und Klaustrophobie herunterzuschlucken. Ich muss sogar lächeln während meiner Meditationsarbeit. Ich habe Michael noch nie zuvor mit so weißen Fingerknöcheln und grüner Gesichtsfarbe gesehen. Natürlich ändert sich beim besagten Buswechsel nichts an der Situation, außer dass die zwei Einheimischen aussteigen und der Busfahrer dafür zwei neue Gäste aufnehmen will. Der ganze Bus rebelliert nun. Man stellt uns vor die Wahl, entweder selber für die „Sitzplätze“ der neu hinzu Steigenden zahlen zu müssen oder ruhig zu sein und die Normalität demütig zu dulden. Wir zahlen. Zwar wird nix besser. Aber auch nicht schlechter. Für die Rückfahrt überlegen wir uns etwas anderes, beschließen wir schon auf der Hinfahrt nach den ersten 30 Minuten. Inklusive ein paar ungewollter Stops kommen wir immerhin nach sieben Stunden in El Nido an. Der Busfahrer hält irgendwo an einer Haltestelle außerorts und wirft seine komplette Fracht hinaus.
Wir steigen mit unseren Koffern in ein selbst zusammengeschweißtes Tricycle um. Der freundliche Fahrer bringt uns zu unserer ersten Unterkunft, in der wir ein paar Tage vorher online eine Nacht gebucht haben. Wenigstens das Gepäck wollen wir kurz abstellen und eine kalte Dusche nehmen, bevor wir uns mit dem Tricyclefahrer am Nachmittag auf die Suche nach einer geeigneten Unterkunft für die komplette bevorstehende Woche machen. Wir sind gute drei Stunden unterwegs, halten immer wieder an, steigen aus, besichtigen eine Unterkunft, steigen wieder ein, knattern weiter. Das Knattern wird von der ohrenbetäubenden billigen Technomusik übertönt, auf die unser Tricyclefahrer sehr stolz ist und deswegen die blecherne Anlage mit einem immerhin wummernden Bass für uns bis zum Anschlag aufdreht. Wir fühlen uns ein bisschen prollig. Aber egal. Besser als die Fahrt im Minivan. Zwei Tschechen, die die Fahrt nach El Nido mit uns überlebt haben, treffen wir auf der Straße wieder. Sie haben gerade eine nette Unterkunft gefunden, in der es entgegen der meisten Backpackerlodges in El Nido sogar 24 Stunden lang Strom, warmes Wasser und WiFi gibt. Nichts wie hin. Wir wollen endlich ein Bett für die nächste Woche als unser Nest wissen, da die Unterkunft der ersten Nacht in den kommenden Tagen restlos ausgebucht ist. Wir müssen also wechseln. In der Dämmerung wirkt die kleine dunkle Oase mit den vielen bunten Lichterketten auch wirklich ganz romantisch. Einfach. Aber doch irgendwie auf eigene Art und Weise charmant. Wir checken am nächsten Tag ein. Bei Tageslicht sieht man auch die kleinen muffigen Mankos. Die rosafarbenen Gardinen und das blaue, löchrige Moskitonetz sowie die roten, abgewetzten Samtkissen verbreiten eine puffige Atmosphäre. Der Duschvorhang schimmelt. Es stinkt aus dem Abfluss. Es gibt keine Duschwanne, man duscht einfach unter einem aus der Wand kommenden Schlauch direkt in dem 4 qm großen Raum, in dem sich auch Klo und Waschbecken befinden. Am Ende steht nicht nur das Bad unter Wasser, sondern auch das halbe Wohnzimmer. Durch diese ständige Feuchtigkeit riecht es immerzu ein bisschen gammelig. Ich versuche, so wenig vom Interieur zu berühren wie möglich. Wir beschließen trotzdem, an diesem Ort die ganze Woche zu verbringen. Schließlich wollen wir uns nicht nachsagen lassen, wir könnten nicht backpacken. Das wäre doch gelacht. Außerdem ist der Strandabschnitt ganz schön und auch der offene, überdachte Gemeinschaftsbereich wirkt einladend, mit Blick aufs Meer. Wir mischen uns abends also heiter und gut gelaunt unter das lustige Backpackervölkchen aus allen Nationen. Die Stimmung ist gut und sehr relaxed. Man tauscht Reiseanekdoten, wertvolle Tipps und Erfahrungen aus. Man trinkt zusammen und verabredet sich für gemeinsame Touren am nächsten Tag. Echt entspannte, sehr nette Leute. Wir testen sogar die Küche unserer kleinen Lodge, da uns nach einem langen Tag ein kleines Hüngerchen überkommt. Nach zwei Gabelspitzen haben wir jedoch keinen Hunger mehr. Der rote gegorene Traubensaft aus der verstaubten Flasche mit dem verblassten Etikett schmeckt ersatzweise auch gut. Abends kämpfen wir noch ein bisschen gegen die Moskitos. Ich zähle 30 Stiche. Endlich im Bett unter dem Moskitonetz liegend stellen wir fest: es ist hier auch nachts verdammt heiß und schwül - und verdammt hellhörig durch die dünnen, gewebten Bambuswände. Wir liegen in unserer eigenen Soße, erfeuen uns vom Bett aus an den Tischgesprächen der anderen auf der Terrasse und versuchen uns parallel an einem neben dem Bett in die Wand eingelassenen Konstrukt, das eine Art Klimaanlage darstellen soll. Ha! Es funktioniert! Die schlechte Luft wird nun wild durch den Raum gewirbelt und bläst mir durch das Moskitonetz direkt ins Gesicht. Ein Hubschrauber neben dem Kopf macht allerdings weniger Lärm. Egal. Ich bin doch locker in den Knien, daher ziehe ich mir meine Oropax an und spüre nun nur noch das vibrierende Brummen. Wir gewöhnen uns schnell an die neue Umgebung. Geschmeidig tuckern wir mit den wummernden Tricycles die Ortschaft hinauf und hinunter, um in den Ort, zum Essen oder zum Einkaufen zu gelangen. Irgendwie hat das alles was. Das ist Leben pur! Je weniger man hat, desto freier fühlt man sich. Wir lieben es hier. Den Ort. Die Unterkunft. Die Umgebung. Die Menschen. Die Reisenden. Das Leben.